Durch unsere Ernährung tragen wir ungewollt zum Treibhauseffekt bei. Um dies zu ändern, wären empfindliche Eingriffe ins tägliche Leben nötig.
Etwas ist bislang von der Umweltkritik weitgehend verschont geblieben: die menschliche Ernährung. Offenbar zu unrecht: Mit mehr als drei Tonnen Kohlendioxid belastet jeder der rund achtzig Millionen Bundesbürger jährlich die Umwelt. Insgesamt ergibt das eine klimarelevante Umweltlast von 260 Millionen Tonnen CO2 (in Äquivalenten gerechnet). Dies entspricht der umweltschädigenden Wirkung der gesamten bundesdeutschen Kraftwerke.
Müssen wir nun alle auf Diät? Nein! beteuert die "Systemforschung Stadt Land GmbH" in Sachsenhagen. Sie hat die verblüffenden Zahlen in einer Stu- die für die Enquete-Komission "Schutz der Erdatmosphäre" errechnet. Allerdings gibt es nach Überzeugung der Forscher beim menschlichen CO2-Ausstoß überraschende Einsparmöglichkeiten - jedoch nur bei einschneidender Änderung der Essensgewohnheiten.
Die Produktion von Nahrungsmitteln verursacht allein 150 Millionen Tonnen CO2 - rund 85 Prozent davon entfallen auf die Herstellung von Fleisch, Milch und Eiern. Der Anteil ist deshalb so hoch, weil Pflanzenfresser - und damit die meisten landwirtschaftlichen Nutztiere - für die Zunahme um ein Kilogramm Lebendgewicht rund die zehnfache Menge an pflanzlicher Nahrung brauchen. Außerdem entstehen bei der Tierhaltung große Mengen Methan - ein weiteres hochwirksames Treibhausgas. Die Systemforscher schätzen, daß durch geringeren Verzehr von Fleischwaren und Molkereiprodukten die emährungsbedingten, klimawirksamen Emissionen um vierzig Prozent gesenkt werden könnten.
Der "übermäßige Verbrauch" von Genußmitteln, besonders von Süßwaren und Alkohol, ist den Forschem ebenfalls ein Dom im Auge. Deshalb schlagen sie vor, die Steuern auf Alkohol und Zucker zu erhöhen. Weitere 25 Prozent der "Emährungsemissionen" seien so vermeidbar.
Auch der beliebte Gang in die Gaststätte treibt den CO2-Ausstoß in die Höhe. Dort verursacht ein Essen einen "drei bis zehnmal" so hohen Energieaufwand wie eine zu Hause gekochte Mahlzeit. Restaurants müssen immer viele Gerichte bereithalten, und nicht alle werden verzehrt. Viele Berufstätige und Singles sind aber auf Gaststätten angewiesen. Der Ausweg: eine "Renaissance des Tagesmenüs", wie es die Systemtheoretiker formulieren. Denn das einfache Essen in der Kantine sei von seinem Energieaufwand der Mahlzeit vom eigenen Herd vergleichbar. Restaurants, die ähnlich Vereinfachtes bieten, sollten steuerlich unterstützt werden.
Doch Essensgewohnheiten sind meist zutiefst kulturell verwurzelt und stehen nicht zur Disposition. Zudem werden Sparvorsätze zunehmend durch die Erlebnisorientierung der Gesellschalt unterlaufen: Es bilden sich neuartige und oft exotische Genußmethoden. So werden Biersorten, die im Herkunftsland als drittklassig gelten, von den Nachfahren der Yuppies besonders bevorzugt. Sie zahlen für das importierte Bier beträchtliche Preise, stopfen einen Zitronenschnitz in die Flaschenöffnung "und lutschen dann an ihrem Leichtbier wie am Babyschoppen", wie es die Züricher Zeitung beschreibt.
Derlei Moden unterlaufen sämtliche Bestrebungen, die Transportwege für Nahrungsmittel zu verkürzen. Die Sachsenhagener Umweltforscher, die sich zum Teil aus dem Hannoveraner Pestel-Institut rekrutieren und damit dem Club of Rome nahestehen, begnügen sich in diesem Zusammenhang mit dem etwas ratlosen Hinweis, man müsse sich "bei der Frage nach den Eingriffsmöglichkeiten auf die 'jüngeren Milieus' konzentrieren".