Achim Stößer

Vegetarier sind toll - ein Lob des Vegetarismus

Vegetarier sind wirklich toll. Vegetarier können ein Aquarium voller gefangengehaltener Fische in Frieden betrachten – denn sie essen sie nicht (mehr). Vegetarier verspeisen keine toten Tiere. D.h., sie verzichten darauf, Tiere umzubringen, um deren Leichen ("Fleisch") zu verzehren. Manche sogar darauf, sich die Haut ("Leder") der Toten über die Füße zu stülpen.

Zwar bringt ein Durchschnittsvegetarier mit seinem Eikonsum siebzig Hennen und ebenso viele männliche Küken ums Leben, aber schließlich könnte er ja darüber hinaus beispielsweise jede Woche ein "Hähnchen" essen, also noch viel mehr Hühner umbringen.

Zwar bezahlen Vegetarier Auftragsmörder dafür, Kühe und Kälber einzukerkern und abzuschlachten, weil sie deren Muttermilch trinken respektive essen wollen (meist mit Lab, einem Enzym aus den Mägen gemeuchelter Rindersäuglinge zu Käse oder Quark "veredelt", doch manche Vegetarier achten gar auf kälberlabfreien Käse, so dass die Kälber, die für die Milch, aus der Gouda, Emmentaler usw. gewonnen wird, aufgeschlitzt werden, ihr Lab behalten könnten, wodurch diese Vegetarier besonderes toll sind).

Aber sie könnten noch viele andere Spezies, Schweine oder Störe z.B., kaltmachen. Tun sie nicht. Oder manche höchstes für Schweinegelatine-Gummibärchen oder mit Hausenblase geschönten Wein. Aber darüber kann man hinwegsehen, ein Auge zudrücken, wir wollen ja nicht fanatisch jedes noch so kleine Leichenteil aus dem Keller und vom Teller verbannen. Das würde nur abschrecken.

Überhaupt sind die "Normalköstler", die "Omnivoren", die "Fleischesser", ja viel schlimmer, sie essen zusätzlich zu Salami und Steak auch Omelett und Camembert. Oder zusätzlich zu Baiser und Kefir Schinken und Fischstäbchen. Und wenn jemand noch schlimmer ist, dann muss man doch den, der nicht noch schlimmer ist, loben: Vegetarier sind toll. Man kann es mit der Ethik eben auch übertreiben.

Ein Vegetarier bringt also nicht so viele Tiere um, wie er könnte, ist quasi nur ein Teilzeitmörder. Und das verdient Lob: Vegetarier sind toll. Man kann schließlich auch nur auf einem Auge blind sein, dann sieht man wenigstens ein bisschen. Gut, der Vergleich hinkt ein wenig wie eine durch Qualzüchtung fußlahme "Milchkuh": Denn auch mit einem Auge könnte ein Vegetarier die Leichen der Hühner und Rinder, Wachteln und Schafe, Strauße und Ziegen, deren Eier und Milch er konsumiert und somit den Mord an ihnen in Auftrag gibt, sehen. Nicht in stereo, jedoch in Farbe: blutrot. Aber da kann man freilich auch mal ein Auge (dieses eine Auge) zudrücken, wir wollen dessen ungeachtet nicht fanatisch aufs Morden verzichten. Das würde nur abschrecken.

Doch was soll's: Vegetarier sind toll, sie sind auf dem richtigen Weg. Obschon sie dabei über Leichen gehen, bis sie das Ziel, den Veganismus, erreichen (sofern sie nicht zu den zirka 99% Vegetariern gehören, die gleich auf der Stelle treten und für immer Vegetarier bleiben, statt den Sprung zum Veganismus zu tun), aber da halten wir's mit dem Buddhismus: Der Weg ist das Ziel. Was das heißen soll, weiß keiner so recht, aber es klingt gut und nützt der Sache, sprich der Augenwischerei und damit dem Vegetarismus und der Verhinderung des bekannter weise fanatischen, weil unblutigen und somit aggressiven Veganismus. Denn Vegetarismus ist toll, weil Vegetarier noch viel mehr Tiere abschlachten könnten. Veganer dagegen, diese infamen Phytophagen, sind überheblich, sie stören sich allen ernstes an den wenigen Millionen von tollen Vegetariern beseitigten Tieren, obwohl Vegetarier noch viel, viel mehr Tiere ermorden könnten – wenn das keine Überheblichkeit ist. Und die Arroganz der Veganer erst. Arrogant heißt, dass sie Dinge, die Vegetarier nicht hören wollen, äußern, nur weil sie den Tatsachen entsprechen, statt höflich und diplomatisch zu sein. Das ist aggressiv – anders als das friedfertige lakto-vegetarische gewaltfreie Kälberkehleaufschlitzen. Das ist gemein – anders als das schonende und noch dazu lebendtiertransportverhindernde behutsame ovo-vegetarische Hühnerkükenvermusen. Veganer halten sich für besser, nur weil sie alle Hühner und Rinder verschonen, während Vegetarier doch zumindest einige Hühner und Rinder verschonen. Wieso sollte es besser sein, gar keine Tiere fürs Essen, für Kleidung usw. zu ermorden, als nicht so viele wie man könnte?

Schließlich ist ein Durchschnittsdeutscher besser als ein peruanischer Meerschweinchen-, ein schweizer Katzen-, ein vietnamesischer Hundeesser; ein Moslem oder Jude besser als ein Pfälzer "Saumagen-" oder ein bayerischer "Schweinshaxen"-Vertilger. Denn sie beschränken die Zahl der Spezies der Opfer ihres Mordshungers – genau wie die Vegetarier. Nicht?

Vegetarier sind toll, weil sie sich nicht ausgrenzen, weil sie in der Kantine, der Mensa oder dem Restaurant bequem bestellen können, ohne sich Gedanken zu machen, und da ist dann alles in Butter. Das erhöht nicht nur die Lebensqualität der Vegetarier, die – anders als Veganer, die Nichtveganern die Butter vom Brot nehmen wollen – Akzeptanz und Toleranz fördern, sich mit Normalköstlern an einen Tisch setzen können, unter den wir die Lebensqualität der Tierausbeutungsopfer fallen lassen; man kann wahrhaftig auch mal ein Auge zudrücken und Toleranz zeigen, schließlich ruft es aus dem Wald heraus, wie es hineinruft, und das übertönt allemal die Schreie der Hühner und Rinder im Schlachthof.

Daher sollten Menschen, die Leichen fressen auch nicht Leichenfresser genannt werden, sondern euphemistisch "Fleischesser", schön versachlichend-abstrakt "Omnivore" oder verniedlichend "Omni" (analog zum beliebten Veggi oder Veggie für Vegetarier). "Mördi" statt Mörder ist dagegen suboptimal, da müssen wir uns etwas anderes ausdenken. Übertüncht man das frische Blut mit weißer Farbe wird es rosa und wir sparen uns die rosa Brille – toll.

Idyll bäuerlicher Hühnerhaltung
Idyll bäuerlicher Hühnerhaltung
Vegetarier sind toll, weil sie sich für die Tiere so viel Mühe geben: Tolle Vegetarier forschen nicht nur in Vegetarierforen im Internet nach Edamer mit mikrobiellem Lab. Vegetarier durchforsten den Supermarkt und fragen beim Bäcker nach "Eiernudeln" bzw. Torten mit Vogeleiern aus der genau richtigen Gefangenhaltungsform – wie schwer ist es, abzuwägen, ob es nun die Biohühner besser haben, die Ökogetreide bekommen, so dass sie, wenn ihnen nach einem Jahr der Kopf abgehackt wird, gesünder sterben; oder die Freilandhühner mit mehr vorgeschriebenem Platz als die Biohühner; oder die Bodenhaltungshühner mit Dach überm Kopf als Schutz vor Bussarden; oder die Käfigbatteriehühner mit wesentlich kleineren sozialen Gruppen und der (bis zum Ende als Suppenhuhn) geringsten Mortalitätsrate. Vegetarier pochen im Café auf Kaffeesahne von Kühen, die später schonend geschlachtet werden. Vegetarier bestellen im Restaurant Salat mit Joghurtdressing aus artgerechten Ställen. Vegetarier essen nur Milchschokolade von lila Almkühen. Wenn sie wissen, dass ein Drittel der Wolle von toten Schafen stammt, "Schlachtwolle" ist, achten sie beim Pulloverkauf vielleicht sogar darauf, dass das Tier erst nach der Schur geschlachtet wurde. Es ist kompliziert und schwierig, doch die Vegetarier nehmen dies alles auf sich – für die Tiere. Wie einfach dagegen machen es sich Veganer: gar keine Eier, gar keine Milch, gar keine Wolle, Punkt. Also das kann ja nun wirklich jeder.

Außerdem ist an Vegetariern toll, dass sie für Veganismus werben, indem sie die "Fleischesser" zum Nachdenken bringen, während Veganer diese wie erwähnt abschrecken. Denn um einem Vegetarier vorhalten zu können, dass er ja auch Joghurt vertilgt und Lederjacken trägt, muss der Normalköstler sich erst einmal informieren, dass Tiermilch und -haut nicht an Bäumen wachsen. Und wenn er dann informiert ist und zur seltenen Spezies des Homo ethicus gehört, wird er, selbstverständlich, vegan. Dank der Vegetarier – das ist toll. Gut, die Sache hat einen Haken, genannter Leichenfresser, das liegt in seiner bzw. der Natur der Sache, frisst ohnehin Leichen, bei denen kaum einem dem Kleinkindalter Entwachsenen verborgen geblieben sein dürfte, dass dafür Tiere abgeschlachtet werden, weshalb die Wahrscheinlichkeit, dass einer darunter ist, der sich anderen Tieren gegenüber ethisch verantwortlich verhielte, wenn er nur wüsste, was er mit seinem Konsum anrichtet, eher bei Epsilon liegt, aber der Haken ist immerhin kein Angelhaken, denn Vegetarier essen keine Fische. Jedenfalls die Vegetarier, die mit ihrem einen Auge einen Blick ins Lexikon geworfen haben. Und die sind toll.

Zudem war jeder Veganer zuerst Vegetarier (abgesehen von ein paar wenigen, die gleich mit den harten Fakten statt der weichgespülten massengeschmackkompatiblen spenderfreundlichen Puddingversion der Realität konfrontiert und direkt vegan wurden, ohne den tollen Umweg über tollen Vegetarismus). Demnach ist es wichtig, für Vegetarismus zu werben, wenn man Veganer machen will. Gut, nach dieser Logik – schließlich war jeder nichtgeborene Vegetarier vorher Leichenfresser – müssten wir also für Leichenschmaus werben, um Vegetarier und somit Veganer zu machen, aber lassen wir die Logik mal beiseite.

Die ornithoiden und mammaloiden Opfer der Vegetarier sind also nichts als ein Gambit auf dem Weg zu einer tierfreundlichen Gesellschaft. Der Ton macht die Musik, und so ein Todesmarsch klingt allemal schmissiger als die Kakophonie euphemismenfrei benannter Fakten. Daher sind Vegetarier toll, und wir sollten sie samt ihren lediglich wenigen millionenfachen Morden an Glucken und Färsen respektieren.

Vegetarier und Veganer sollten an einem Strang ziehen. Das heißt, Veganer sollten endlich auch einmal ein wenig Respekt zollen und wenigstens den Kuchen, den Oma mit viel Liebe und zwei Dutzend Eiern und guter Butter gebacken hat, kosten. Sozialkontakte ist das entscheidende Stichwort: Zwischen Leber und Milz ist immer noch Platz für ein Glas Milch. Wer rechnet schon die Stunden und Tage aus, die Tiere dafür gelitten haben? Aber nein, Veganer zeigen keinen Respekt. Was tun sie stattdessen? Machen den Vegetariern Vorwürfe, beschimpfen sie als Mörder. Als ob ein Patient mit Leberzirrhose nicht kerngesund wäre, sondern von einem beleidigenden Arzt als Kranker beschimpft würde, immerhin sind Kranke ausschließlich jene mit Lungenemphysem. Als ob jemand respektlos Alkoholismus als Sucht diffamierte, während wahrhaft Süchtige nur die sind, die beim Trinken zudem Rauchen. Überhaupt verlangen Veganer nun wirklich zu viel. Nie wieder Pizza? Nie wieder Schokolade oder Eis? Nie wieder Torten und Kuchen?
Ungemolkene Kuh, kurz vor dem Platzen
Ungemolkene Kuh, kurz vor dem Platzen
Nie wieder Spaghetti mit Tomatensauce?

Immer nur Salat, die einzige Speise der Körnerfresser?

Ja, Vegetarier verdienen Respekt, sie sind toll. Nicht nur das, sie haben auch tolle Argumente gegen Veganismus: Milchtrinken geschieht aus reiner Tierfreundlichkeit, denn Kühe platzen, wenn man sie nicht melkt; anders als andere laktierende Säuger von stillenden Ameisenigeln und Braunbären bis zu Yaks und Zebras. Hennen legen sowieso Eier, wie andere Vögel auch. Meist unbefruchtete, weil in den Eierproduktionsanlagen kaum Hähne sitzen, also sind in den Eiern noch nicht einmal Küken – worüber also regen Veganer sich auf?
Gänsefamilie mit ca. 300 Küken
Gänsefamilie mit ca. 300 Küken
Noch nie eine Entenmutter gesehen mit dreihundert Küken im Schlepptau, weil sie, wie jedes "Legehuhn", fast täglich ein Ei legt? Ein Schwalbennest unterm Dach mit dreihundert aufgerissenen Schnäbelchen? Von wegen Qualzucht, Frösche legen ganz natürlich noch viel mehr Eier als "Lohmann Selected Leghorn"-Normhühner. Warum sollten Vegetarier also keine sowieso gelegten Eier essen und damit zudem den Hühnern das anstrengende Brüten ersparen? Und dass die männlichen Küken nach einem Tag vergast, die Hennen nach einem Jahr geschlachtet werden, dafür können die Vegetarier ja nun wirklich nichts, sie hätten wahrlich nichts dagegen, wenn die jährlich achtzig Millionen Hühner, die für die Eiproduktion allein in Deutschland umgebracht werden, die restlichen zwei Lebensjahrzehnte auf einem idyllischen kleinen
Gnadenhof
Gnadenhof
Gnadenhof verbringen würden. Und Hitler war gar kein Vegetarier, Hitler war Veganer. Fanatisch, unduldsam, blindwütig, aufbrausend, dogmatisch, intolerant, aggressiv, radikal; nicht toll wie Vegetarier. Gut, er hat nicht nur Menschen, sondern auch manches Frühstücksei geköpft, beides veganeruntypisch; aber was spielt das in diesem Zusammenhang für eine Rolle? Überhaupt bekommen Veganer ohne Drüsensekretkonsum Kalziummangel (neun Zehntel der Menschheit leiden an Kalziummangel, weil sie keine Milch vertragen) und zudem Eiweißmangel (Proteine sind, wie der Name "Eiweiß" schon sagt, ausschließlich in Vogeleiern enthalten). Außerdem schmeckt veganes Essen einfach nicht. Kartoffeln zum Beispiel: pfui Teufel. Gut, vielleicht wenn man sie kocht oder brät. Entsprechendes gilt für Tofu oder Mehl. Aber wer hat schon Zeit, den ganzen Tag in der Küche zu stehen? Daher kaufen Vegetarier auch gelegentlich Tiefkühl-Fertiggerichte, natürlich ausschließlich beim Bauern von nebenan, der seine zwei Dutzend Hennen jeden Abend in den Schlaf wiegt, ihnen wenn sie weniger Eier legen jahrzehntelang ein Gnadenbrot gewährt, wie auch ihren – ebenfalls zwei Dutzend, jedes zweite Küken ist ja männlich – Brüdern (die Gruppen von Hähnen retuschieren die Veganer auf ihren Fotos von angeblichen "Ausbeutungsbetrieben" natürlich immer weg, weil sie sonst nicht mehr behaupten können, die männlichen Küken würden vergast oder vermust).
Igel (von Veganerfahrrad überfahren)
Igel (von Veganerfahrrad überfahren)
Veganer sind zudem auch Mörder, weil sie nicht über dem Boden schweben, und somit auf eine Ameise treten könnten statt zu levitieren, weil sie Fahrzeuge benutzen und damit Unfälle riskieren statt zu teleportieren. Oder weil Möhren und Hefepilze und Darmbakterien schließlich auch Lebewesen sind – nur hört keiner die stummen Schreie des geköpften Salats und der niedergemähten Weizenfelder. Oder weil Veganer, statt auf einen anderen Planeten auszuwandern oder wenigstens eine einsame Insel (toll: den Vegetariern verdanken wir ein Revival des "Geh doch nach drüben"-Arguments, das sonst mangels anderem Deutschland fast in Vergessenheit geraten wäre), weil also Veganer Teil einer speziesistischen Gesellschaft sind und somit der Kioskbesitzer, bei dem sie ihre Zeitung erstehen, mit eben diesem Geld nichts als Currywurst, Bockwurst, Mettwurst, Teewurst und Leberwurst kauft. Wurst, die mit den Steuergeldern von Veganern subventioniert wird: ein Teufelskreis.
Zu viel Fleisch ist Mord?
Zu viel Fleisch ist Mord?
Aber was ist besseres zu erwarten von widerwärtigen Fanatikern, die das Wort "Mord" nicht auf "Fleisch" von süßen Schweinchen, brutal transportierten "Mastrindern", rücksichtslos abgeschlachteten "Brathähnchen", auf kaltblütig erschossene Rehe, hinterrücks abgeknallte Wildschweine, elektrokutierte Füchse, vergaste Nerze usw. beschränken, wie sich das gehört ("Fleisch ist Mord", "Jagd ist Mord", "Pelz ist Mord"), sondern auch auf totgestreichelte "Milchkühe" und ins Jenseits geküßte "Legehennen" ausdehnen wollen.

Ganz anders die Vegetarier. Vegetarier sind toll. Als wären sie geradewegs dem Tollhaus entsprungen, so toll sind Vegetarier.


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