Achim Stößer

Wie Bibeln und Christen zu Nichtmenschen stehen

Teil 1: Furcht und Schrecken sei über allen Tieren

"Gott will es!" Mit diesen Worten rief Papst Urban II. 1095 die Christen zum Kreuzzug auf, und damit begründen seit jeher Gläubige jede noch so widersinnige Scheußlichkeit, die sie begehen, ob Religionskriege, Inquisition oder Bomben in Belfast, und auch daß das tägliche Brot des "Vaterunser" längst zum täglichen Steak oder Hamburger mutiert ist, scheint ihnen gottgefällig. Doch einige Christen sehen das anders. Auch sie pflegen, statt eigenverantwortlich ethisch zu handeln, selbst zu denken, einen Führerkult - Jesus befiel, wir folgen dir! -, aber Gott erklären sie zum Tierfreund, was sie mit Bibelzitaten begründen, mit dem Credo "Jesus war Vegetarier", fußend auf der Behauptung, er sei Essener gewesen, teils gar mit direkten Auskünften Gottes durch heute lebende Propheten.

Wie sieht die Realität aus, was sagt die "Heilige Schrift" tatsächlich zu der Frage, wie mit nichtmenschlichen Tieren umzugehen ist, was aß Jesus, vor allem aber: welche Konsequenzen hat das alles für die Gegenwart und Zukunft der nichtmenschlichen Tiere?

Gott liebt Bratengeruch

Bibelkritikern wird von Gläubigen gern groteskerweise unterstellt, die biblischen Aussagen unbesehen zu glauben oder allzu wörtlich zu nehmen. Selbstverständlich ist den Autoren "der Bibel" ebensowenig zu glauben wie dem von "Mein Kampf", es wird lediglich wiedergegeben, was sie schreiben, schließlich sind beide Werke nicht zu leugnende Grundlage faschistoider Systeme. Gott sagt1: "Eine Hexe2 sollst du nicht am Leben lassen" (Ex 22:17). Jesus bestätigte dieses wie alle anderen Gebote seines Vaters: "Bis der Himmel und die Erde vergehen, soll auch nicht ein Jota oder ein Strichlein von dem Gesetz3 vergehen, bis alles geschehen ist. Wer irgend nun eines dieser geringsten Gebote auflöst und also die Menschen lehrt, wird der geringste heißen im Himmelreich; wer irgend aber sie tut und lehrt, dieser wird groß heißen im Himmelreich." (Mt 5:17-19). Darauf zu verweisen bedeutet weder an Hexen noch an Jesus zu glauben, sondern auf das Blut zu zeigen, in dem die, deren Glaubensgrundlage dieses Machwerk bildet, waten.

Betrachten wir also zunächst einige Bibelgeschichten, die den meisten noch von der kindlichen Idoktrination bekannt sein dürften, etwas näher. Gleich nach ihrer Erschaffung erhielten die Menschen die folgenden Anweisung von Gott: "Seid fruchtbar und vermehrt euch, und füllt die Erde, und macht sie euch untertan; und herrscht über die Fische des Meeres und über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf der Erde regen!" (Gen 1:28). Apologeten4 verweisen hier darauf, dies meine, sich darum "zu kümmern" wie eben ein guter Herrscher um seine Untertanen (vielsagende monarchistische Gedankengänge) oder der Hirte um seine Schafe (schon treffender, da sie bekanntlich lediglich gehütet werden, um sie zu scheren und zu schlachten). Tatsächlich klingt die folgende Anweisung Gottes wie ein Plädoyer für Veganismus: "Siehe, ich habe euch alles samentragende Kraut gegeben, das auf der Fläche der ganzen Erde ist, und jeden Baum, an dem samentragende Baumfrucht ist: es soll euch zur Nahrung dienen" (Gen 1:29). Doch dies soll nicht die einzige Speise sein; was es damit tatsächlich auf sich hat, werden wir etwas später sehen, wenn Gott mit Noah plaudert. Zunächst aber Adam und Eva. Von Gott wegen Naschens verbotener Früchte vor die Paradiestür gesetzt, wurden sie von ihm zuvor eingekleidet: nicht wie viele glauben, mit Feigenblättern (daraus hatten sie sich selbst Schurze geflochten, Gen. 3:7), nein, Gott war der erste Kürschner: "Und Gott, der HERR, machte Adam und seiner Frau Leibröcke aus Fell und bekleidete sie." (Gen 3:21).

Auch mit ihren Söhnen Kain, dem Ackerbauern und Abel, dem Schafhirten lief es nicht besser. "Und es geschah nach einiger Zeit, da brachte Kain von den Früchten des Ackerbodens dem HERRN eine Opfergabe. Und Abel, auch er brachte von den Erstlingen seiner Herde und von ihrem Fett. Und der HERR blickte auf Abel und auf seine Opfergabe aber auf Kain und auf seine Opfergabe blickte er nicht." (Gen 4:3-5). Da Gott mehr auf die Leichen und das Fett der Schafe stand als auf die veganen Speisen, wurde Kain zornig und - so sind die Veganer nun einmal, zumindest in der Sicht der Tierausbeuter -, erhob sich "wider seinen Bruder Abel und schlug ihn tot." (Gen 4:8).

Am peinlichsten von diesen bekannten Geschichten sollte aber auch all den Tierschützern, die ihre Vereine danach be nennen, die folgende sein: die Geschichte des ersten Artenschutzprogramms, bei dem die obersten Artenschützer, eben Gott und Noah, sich wie die heutigen nicht um die Individuen scherten, sondern allenfalls darum, ihre Art zu erhalten. Dieser Gott fand vielmehr nichts dabei, weil die Handlungen der Menschen ihm nicht gefielen, nicht nur alle Menschen (einschließlich der Kinder und Ungeborenen) zu ersäufen, nein, die nichtmenschlichen Tiere brachte er gleich mit um: "Ich will den Menschen, den ich geschaffen habe, von der Fläche des Erdbodens auslöschen, vom Menschen bis zum Vieh, bis zu den kriechenden Tieren und bis zu den Vögeln des Himmels; denn es reut mich, daß ich sie gemacht habe." (Gen 6:7). Und Noah ließ sich, wenn nicht freiwillig, so doch willig, einspannen, sammelte sie auf Gottes Geheiß: "Von allen reinen Tieren nimm zu dir je sieben, das Männchen und sein Weibchen, von den unreinen Tieren aber je ein Paar, das Männchen und sein Weibchen. Desgleichen von den Vögeln unter dem Himmel je sieben, das Männchen und sein Weibchen, um das Leben zu erhalten auf dem ganzen Erdboden" (Gen 7:2-3) auf der eigens dafür gebauten Arche.

Hier ist eine Zwischenbemerkung nötig: Was reine Tiere sind, sprich, "die Tiere, die ihr essen dürft" (Lev 11:2), teilt Jahwe den Menschen durch Moses erst später mit: "was gespaltene Klauen hat, ganz durchgespalten, und wiederkäut unter den Tieren, das dürft ihr essen [...] alles, was Flossen und Schuppen hat im Wasser [...] Und diese sollt ihr verabscheuen unter den Vögeln, dass ihr sie nicht esst [...] Doch dies dürft ihr essen von allem, was sich regt und Flügel hat und auf vier Füßen geht: was oberhalb der Füße noch zwei Schenkel hat, womit es auf Erden hüpft." (Lev 11:1-23). Also eine beachtliche Leistung Noahs, dies vorherzusehen, ohne daß ihm jemand die Leviten gelesen hätte.

So pferchte er also je sieben Rinder, Schafe, Ziegen, Pinguine, 21 Heuschrecken dreier Arten und je zwei Schweine, Hasen (der Hase ist unrein, "denn er ist auch ein Wiederkäuer, hat aber keine durchgespaltenen Klauen", Lev 11:6), Seehunde, Krokodile, Pelikane, Fledermäuse, Maulwürfe, Bandwürmer usw. in die Arche. Dann begann Gott seinen ersten Massenmord: Er überflutete die Erde, "Da kam alles Fleisch um, das sich auf der Erde regte, alles an Vögeln und an Vieh und an Tieren und an allem Gewimmel, das auf der Erde wimmelte, und alle Menschen." (Gen 7:21). Nicht genug, kaum waren die acht Menschen (Noah samt Frau, Söhnen und Schwiegertöchtern) und je sieben jeder "reinen" und zwei jeder "unreinen" Spezies wieder wohlbehalten und vermeintlich sicher an Land, veranstaltete Noah ein Barbecue: "Noah aber baute dem HERRN einen Altar und nahm von allem reinen Vieh und von allen reinen Vögeln und opferte Brandopfer auf dem Altar." (Gen 8:20). (Tieropfer sind übrigens zahlreich, in Ex 29:10-42 oder Lev 1:1-17 finden sich beispielsweise seitenlange ausführliche Anweisungen Gottes, welche Tiere wie getötet werden müssen - "Der Priester bringt sie zum Altar, reißt [der Taube] den Kopf ab und verbrennt ihn im Altarfeuer. Das Blut preßt er an der Altarwand aus. Den Kropf mit Inhalt entfernt er und wirft ihn auf den Aschenhaufen vor dem Altar, auf der Seite, die vom Heiligen Zelt abgewandt ist [...] Die Flügel soll er am Körper des Tieres einreißen" (Lev 1:14-17) - und wie mit ihren Organen und Körperteilen zu verfahren ist, die sich lesen wie das Drehbuch zu einem Splatter-Film.) Gott fand es lecker: "Und der HERR roch den lieblichen Geruch" (Gen 8:21), und so beschloß er großzügig, "Ich will nicht mehr alles Leben auf der Erde vernichten, wie ich es getan habe" (Gen 8:21).

Anschließend teilte Gott Noah die erweiterte Fassung des Menüplans mit: "Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde. Furcht und Schrecken vor euch sei über allen Tieren auf Erden und über allen Vögeln unter dem Himmel, über allem, was auf dem Erdboden wimmelt, und über allen Fischen im Meer; in eure Hände seien sie gegeben. Alles, was sich regt und lebt, das sei eure Speise; wie das grüne Kraut habe ich's euch alles gegeben. Allein esst das Fleisch nicht mit seinem Blut, in dem sein Leben ist!" (Gen 9:1-4). Die zumal für den blutdürstigen christlichen Schlächtergott verwunderliche Ablehnung des Kontakts mit Blut führt übrigens zu den scheußlichsten religiösen Praktiken: sie reichen vom Schächten (dem rituellen Schlachten von Tieren in dem Aberglauben, sie würden auf diese Weise vollständig ausbluten) bis zum Bluttransfusionsverbot der Zeugen Jehovas, aufgrund dessen auch schon Kinder starben, wenn die Ärzte nicht rechtzeitig einen Gerichtsbeschluß gegen ihre Eltern erwirken konnten.

Angesichts dieser wenigen (von unzähligen) Beispiele mutet es reichlich lächerlich an, wenn versucht wird, Gott einen guten Mann sein zu lassen und dies alles mit "Übersetzungsfehlern" wegzuerklären. Sicherlich gibt es sie, und es wurden im Lauf der Jahrhunderte zahlreiche Änderungen an den Bibeln vorgenommen, aber damit läßt sich nicht alles wegerklären. Daß z.B. in englischen Bibelübersetzungen häufig "meat" steht, wo es allgemein "Essen" heißen müßte, liegt schlicht daran, daß dieses Wort zur Entstehung der Standardbibel (King James Version aus dem Jahr 1611), auf der die meisten englischen Übersetzungen basieren, einfach "Nahrung", nicht wie heute "Fleisch" bedeutete - und ändert nichts daran, daß an unzähligen Stellen konkret der Konsum von Leichenteilen spezifisch genannter Tiere ebenso wie von Drüsensekreten von Säugern und Bienenerbrochenem (hier sei für diejenigen, die keine Konkordanz bemühen wollen, nur auf die bekannte biblische Redensart vom "Land, in dem Milch und Honig fließen" verwiesen) erlaubt bzw. gefordert wird. Apropos Honig: der häufig genannte angebliche Übersetzungsfehler "Heuschrecken" bei der Ernährung Johannes des Täufers müßte, damit dieser vegan würde, gleich drei weitere in einem Satz nach sich ziehen: "Er aber, Johannes, hatte seine Kleidung von Kamelhaaren und einen ledernen Gürtel um seine Lenden; seine Speise aber waren Heuschrecken und wilder Honig." (Mt 3:4, vgl. Mk 1:6)

Du sollst manchmal nicht töten

Noch törichter wird die Mär vom Sündenbock5 Übersetzungsfehler in dem, was das eigentlich Kernstück des christlichen Glaubens ist, den zehn Geboten (auch wenn viele sie fälschlich Jesus zuordnen und nicht einmal fünf davon nennen können). Sehen wir einmal davon ab, daß sie bei ungünstiger Gesetzeslage Sklaven- bzw. Tierbefreiung untersagen - "Du sollst nicht stehlen" (Ex 20:15) - und "Du sollst nicht begehren die Frau deines Nächsten, noch seinen Knecht, noch seine Magd, weder sein Rind noch seinen Esel, noch irgend etwas, was deinem Nächsten gehört" (Ex 20:17) zwar antispeziesistisch anmutet, aber alle gleichermaßen als Besitz einordnet.

Hier wird in diesem Zusammenhang unweigerlich behauptet, eines der Gebote im Dekalog hieße "Du sollst nicht töten" (Ex 20:13) und würde erst neuerdings falsch mit "morden" übersetzt, womit die Realität auf den Kopf gestellt wird. Denn in der hebräischen Bibel steht nun einmal "Lo razach", wobei das Wort "razach" eben nicht jede beliebige Art zu töten meint, sondern ausschließlich ein Töten, das außerhalb des Gesetzes geschieht. Abhängig vom Kontext kann es "ermorden", "in Leidenschaft töten" usw. bedeuten, nie aber wird das Verbum gebraucht für das Töten im Krieg oder für die gesetzliche Hinrichtung von Verbrechern, etwa Homosexuellen (Lev 20:13), "Hexen" (Ex 22:17), ungehorsamen Söhnen (Deu 21:18-21) und was der Christengott - von Jesus bestätigt (Mt 5:17-19) - sonst noch so für todeswürdig erklärt, und schon gar nicht für das Töten nichtmenschlicher Tiere. Was auch ohne Kenntnis des Hebräischen jedem, der sich trotz schon frühkindlicher religiöser Indoktrination auch nur einen Rest Verstand bewahrt hat, klar sein muß: ein allgemeingültiges Tötungsverbot wäre mit all den göttlichen Mordanweisungen - es genügt, eine Bibel ein paar mal an einer zufälligen Stelle aufzuschlagen, um in einem gottgewollten Blutbad zu landen - von den bereits genannten über zahlreiche von Gott ausgeführte oder angeordnete Massenvernichtungen (z.B. Gen 19:24-25, Ex 12:29, Ex 32:27-29, Jos 6, 1 Sam 15:3-8, 2 Kön 2:23-24) bis zu jedem Kind bekannten wie dem Widder"opfer" Abrahams (Gen 22:13) oder der Kälbergrillparty anläßlich der Heimkehr des verlorenen Sohnes (Lk 15:23) unvereinbar. Aber wahrscheinlich hat Abraham eine Melone geschlachtet, das Kalb war ein Karottenkuchen und Jesus hat, wie wir noch sehen werden, Tofu im See ertränkt - alles nur Übersetzungsfehler ...

"Batman war Vegetarier"

Soviel fürs erste über den blutdürstigen christlichen Gott. Doch wie steht es mit seinem angeblichen Sohn, den für ihn die Leihmutter Gottes parthenogenetisch empfangen haben soll? Zunächst einmal muß hier klar unterschieden werden zwischen der fiktiven Gestalt Jesus, wie sie in den verschiedenen Bibeln beschrieben ist, und dem historischen Jesus. Mitte der zwanziger Jahre beobachtete, so zumindest die Legende, ein Mann eine Maus, die auf seinem Schreibtisch saß, und begann, sie abzuzeichnen. Dieser Mann hieß Walt Disney, und Mickey Mouse war geboren. Wen, außer allenfalls ein paar eingeschworenen Fans dieser Zeichentrickfigur, würde es interessieren, was Mickey Mouse zum Frühstück ißt? Und vor allem, welche Schlüsse läßt das Mittagessen der Trickmaus über die Ernährung realer Nagetiere zu? Ganz genau so verhält es sich mit dem biblischen zum historischen Jesus: es gab vor zwei Jahrtausenden zahlreiche Wanderprediger und "Wunderheiler", von denen einer (oder auch mehrere) den Bibelautoren als Vorlage gedient haben mag, doch wie Mäuse im wirklichen Leben weder Dampfschiffe steuern noch rote Hosen tragen, sind diese weder übers Wasser gewandelt noch von den Toten auferstanden. Immerhin, da der elektrische Stuhl noch nicht erfunden war, wurden wohl einige auf die damals gebräuchliche Weise, nämlich Kreuzigung, hingerichtet; und gegessen, nun, gegessen haben die meisten von ihnen auch.

Aber was? Wer bezüglich Jesus' "Wirken" von "historisch belegten Tatsache" fabuliert, ignoriert, daß keine einzige halbwegs zeitgenössische außerbiblische Schriftquelle existiert, die Jesus erwähnt6. Die gern als Beleg für Jesu Ernährung angeführten Apokryphen7 sind jedenfalls so nutzlos wie ein Asterixband, in dem dieser vegan ist (es gab schließlich auch in der Anti-AKW-Bewegung der 80er illegale Asterix-Comics, in denen er gegen ein Atomkraftwerk kämpfte) zur Ermittlung der Ernährungsweise irgendwelcher Gallier vor 2050 Jahren. Dennoch beharren viele, die Jesus zum Vegetarier machen wollen, darauf, dieser sei Essener gewesen, also Angehöriger einer elitären jüdischen Sekte, die - zumindest hier sind sich die Historiker einig - extrem auf kultische Reinheit bedacht waren, was sich in rituellen Bädern (vermutlich Vorstufe zur christlichen Taufe) und eben auch der Ernährung wiederspiegelte - angesichts dieser Motivation eine auf das Wohl der Tiere bedachte Ethik herbeizudichten, ist absurd, zumal die Essener eigens Ziegen züchteten, um ihnen die Haut für Ihre Schriftrollen abzuziehen (900 davon, bestehend aus "Leder", einige aber auch aus Papyrus und Kupfer, wurden Mitte des 20. Jhds. in Höhlen bei Qumran gefunden) [Spi98]. Tatsächlich haben die Lehren der Essener und der biblische Jesus manches gemeinsam, etwa das buchstabengetreue Festhalten am Gesetz, doch es gibt auch Unterschiede: wenn am Sabbat ein nichtmenschliches Tier in eine Grube fällt, müssen die Essener es darin krepieren lassen, nur einen Menschen dürfen sie herausziehen [Spi98]. Jesus dagegen fragt immerhin: "Wer ist unter euch, dem sein Sohn oder sein Ochse in den Brunnen fällt und der ihn nicht alsbald herauszieht, auch am Sabbat?" (Lk 14:5). War er also doch ein Tierfreund? Keineswegs, es ist, wie Deschner formuliert, nichts als "[d]er nackte Egoismus einer Viehzüchterreligion!" [Des97]. Jesus' wahres Verhältnis zu Tieren zeigt nicht nur sein Verzehr einer Fischleiche: "Und sie legten ihm ein Stück gebratenen Fisch vor. Und er nahm's und aß vor ihnen." (Lk 24:42-43). Deutlich wird es auch in einer Episode, die drei der vier Evangelisten schildern (Mt 8:26-33; Mk 5:2-13; Lk 8,26-33): Jesus exorziert einen "Besessenen", und statt die Dämonen in einen Stein oder Baum zu verbannen, jagt er sie in eine Herde von 2000 Schweinen, "und die Herde stürmte den Abhang hinunter in den See, etwa zweitausend, und sie ersoffen im See" (Mk 5:13) - wenige ertränkte er im Vergleich zu seines Vaters Sintflut, aber er ertränkte sie.

Fußnoten

  1. gemeint ist hier und im folgenden mit dieser Formulierung natürlich nicht, daß Gott existiert und tatsächlich seine Meinung kundtut, sondern es ist grundsätzlich "laut Bibel" impliziert, es werden also Aussagen Gottes, Jesus' etc., die ihnen ihre Erfinder in den Mund legen, wiedergegeben
  2. [Ein88] Viele andere Übersetzungen verwenden das Wort "Zauberin"; ob zumindest mit den neueren eine Assoziation mit der christlichen Hexenverfolgung vermieden werden soll?
  3. "Gesetz" meint hier das Gesetzbuch des Judentums, hebr. Thora, den Pentateuch, also die fünf Bücher Mose (Genesis, Exodus, Leviticus, Numeri, Deuteronomium)
  4. Verteidiger eines Bekenntnisses, einer Anschauung oder Lehre (bes. des christlichen Glaubens)
  5. vgl. Lev 16:21
  6. selbst die Erwähnungen in den Werken des Historikers Flavius Josephus (37-105 n.Z.) wurden eineinhalb Jahrhunderte nach dessen Tod eingefügt
  7. jede christliche Sekte bezeichnet jeweils diejenigen biblischen Bücher, die sie nicht zur Bibel rechnet, als Apokryphen, für die Protestanten beispielsweise sind die katholischen Bücher Judith, Tobias, die Makkabäer-Bücher, für die Katholiken wiederum das vor allem bei vielen Freikirchlern beliebte "Evangelium der Zwölf" bzw. "Evangelium des vollkommenen Lebens" apokryph. Schon die Essener störte, daß Abraham seine Frau dem ägyptischen Pharao überlassen hatte (Gen 12:17), und so wurde flugs eine Zusatzgeschichte erdichtet, nach der der Pharao während dieser Zeit impotent war [Spi98]

Literatur

Des97
Karlheinz Deschner, "Das schwärzeste aller Verbrechen. Christen gegen die Kreatur", "Die Zeit", 22. August 1997
Spi98
"Gab es Christen vor Jesus?", "Der Spiegel", Nr.2, 1998
Bibeln, denen die Zitate entnommen wurden
Ein88
"Die Bibel. Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift", 1988
Elb92
"Revidierte Elberfelder Bibel", 1992
Gut97
"Gute Nachricht Bibel", 1997
Hof96
"Hoffnung für alle", 1996
Jer73
"Jerusalemer Bibel", 1973
Lut84
"Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luther in der revidierten Fassung von 1984", 1984

zu Teil 2: Unser tägliches Fleisch gib uns heute


zuerst erschienen in Voice, Nr. 29, April 2002
URL: https://antispe.de/txt/furchtundschrecken.html auf antiSpe.de